1948–2022: Willi Resetarits alias „Ostbahn-Kurti“ ist tot (2024)

Erst im Oktober hatte Resetarits mit seiner Band Stubnblues das Album „Elapetsch“ veröffentlicht – und sich damals schon mit dem Tod auseinandergesetzt: „Das Grundthema ist eigentlich, dass das nahende Ende ständig präsent ist. Aber dieses Phänomen macht das Leben schöner“, erklärte Resetarits damals im APA-Interview.

„Wenn man ein Bewusstsein dafür kriegt, dass die Tage gezählt sind, intensiviert das das Leben. Man kriegt ein Gefühl, dass man sich nicht verzetteln muss, indem man allzu viele ungeliebte Tätigkeiten aus Pflichtbewusstsein macht, sich quält und dann missmutig ist“, so Resetarits. „Elapetsch, Tod“ bedeute also, dem Tod eine lange Nase zu drehen. „Dahinter schwebt: Dem Tod durchaus gefasst ins Auge blicken“ und „es leicht nehmen“ mit der Vergänglichkeit.

Willi Resetarits alias „Ostbahn-Kurti“ ist tot

Einer der ganz Großen der Musikwelt und eine menschliche Institution Österreichs ist tot: Willi Resetarits alias „Ostbahn-Kurti“ verunglückte am Sonntag 73-jährig tödlich. Am Vorabend hatte er noch den Wiener Flüchtlingsball eröffnet. In seiner facettenreichen musikalischen Karriere hatte er die Figur des „Ostbahn-Kurti“ zum Star gemacht – und gleichzeitig seinen Erfolg für sozial- und gesellschaftspolitische Projekte genützt.

Auftritt am Samstag

Einige seiner zuletzt geplanten Auftritte musste Resetarits wegen einer Coronavirus-Erkrankung absagen. Sowohl beim Benefizkonzert im Ernst-Happel-Stadion als auch eine Woche später am Heldenplatz fiel er krankheitsbedingt aus. Im ORF-Wien-Interview sprach er zuletzt über die Erkrankung – mehr dazu in wien.ORF.at. Und am Samstagabend eröffnete Resetarits noch „seinen“ Flüchtlingsball, der zum 29. Mal zugunsten des von ihm gegründeten Intergrationshauses stattfand. Laut Integrationshaus ist Resetarits tödlich verunglückt. Mehr Details wurden nicht bekanntgegeben.

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Durchbruch mit den Schmetterlingen

Am 21. Dezember 1948 als Sohn burgenlandkroatischer Eltern in Stinatz geboren, wuchs Willi Resetarits wie seine gleichfalls bekannten Brüder Lukas und Peter kroatisch sprechend auf. Im Alter von drei Jahren zog er nach Wien, nach der Matura studierte er Anglistik und Sport auf Lehramt, gab das Lehrerziel aber bald zugunsten seiner Politrockgruppe Schmetterlinge auf und machte bereits damals – etwa bei der Arena-Besetzung 1976 – mit gesellschaftspolitischem Engagement auf sich aufmerksam.

Mit den Schmetterlingen feierte er erste große Erfolge. Ihre „Proletenpassion“ wurde 1976 bei den Wiener Festwochen aufgeführt und erreichte bald Kultstatus. Mit dem Song „Boom-Boom-Boomerang“ nahm die Formation 1977 am Song Contest teil.

Ein Mythos, schon bevor er da war

Der ganz große Durchbruch erfolgte aber dann mit einem am Reißbrett erfundenen Popstar. Die Kunstfigur „Ostbahn-Kurti“ hatten zwei Personen mit Leben erfüllt: Willi Resetarits als Darsteller und der im Jahr 2000 verstorbene Günter Brödl, Texter, Schöpfer und Mastermind. Schon 1979 hatte er für ein Theaterstück die Figur geschaffen und in den Folgejahren einen Kult um die imaginäre Person aufgebaut. Es gab Zeitungsporträts, zwei „vergriffene“ Alben, mysteriöse Plakate und Transparente sowie „ausverkaufte“ Konzerte. Erst 1983 traf Brödl Resetarits. Die Kunstfigur wurde mit Leben gefüllt.

Mehr als nur Coverversionen

Der Schriftsteller, Journalist und vor allem US-Musikkenner Brödl übersetzte amerikanische Hits, allen voran von Bruce Springsteen, ins Wienerische – und es sollten mehr als nur Coverversionen werden. Der „Favorit’n-Blues“ war geboren – mit feinem Gespür und Auge für das Leben in der Vorstadt, für das Leben des viel zitierten „kleinen Mannes“. Anders gesagt: Es war wahrscheinlich der bisher letzte auf breiter Ebene erfolgreiche Versuch einer positiv konnotierten Arbeiterkultur.

1985 entstand die erste LP „Ostbahn-Kurti & die Chefpartie“, und auch live erspielte sich die Band – etwa mit ihren legendären „Krampuskränzchen“ – bald einen Ruf, der seinesgleichen suchte.

Exzellente Musiker, Wiener Schmäh

Mit exzellenten Musikern, Charme und Schmäh wurden „Ostbahn-Kurti & die Chefpartie“ die heimische Variante einer Stadionrockband – meist ohne Stadion, denn auch die Locations der Großkonzerte sprachen für sich: auf dem Wiener Großgrünmarkt, im Strandbad Podersdorf, auf dem Simmeringer Ostbahn-XI-Platz und schließlich die „Abschiedkonzerte“ auf der Hohen Warte und zuletzt im Prater.

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Gesamtkunstwerk Ostbahn

Brödls Konzept war aber mehr als die Musik: Er schrieb mehrere Ostbahn-Krimis, „Blutrausch“ wurde schließlich verfilmt. Auch wenn manches hier sehr ins Plakative kippte, das Gesamtkunstwerk Ostbahn sucht heute noch seinesgleichen. Von 1995 bis 2003 moderierte er auch "Trost und Rat von und mit Dr. Kurt Ostbahn“ auf Radio Wien.

Nach dem plötzlichen Tod Brödls musste Resetarits den „Ostbahn-Kurti“ konsequenterweise in die Pension schicken – um sich später anderen musikalischen Projekten wie seinem „Stubnblues“ zu widmen.

Mit „Herr Doktor“ geadelt

Trotz starker Wien-Lastigkeit konnte Ostbahn in ganz Österreich punkten und sogar in Deutschland gefeierte Konzerte geben, auch wenn das norddeutsche Publikum mitunter wohl einen Simultandolmetscher für die Texte brauchte. Mitte der 1990er Jahre verabschiedete sich die Chefpartie, die Kombo trat an ihre Stelle, noch stärker wurden Eigenkompositionen ins Repertoire aufgenommen.

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Aus dem „Ostbahn-Kurti“ wurde Kurt Ostbahn, später auch noch gern mit „Herr Doktor“ geadelt. Neben Projekten wie dem „Stubnblues“ und Kooperationen mit den Persönlichkeiten des erweiterten Wienerliedspektrums – allen voran mit Ernst Molden – widmete er sich dem Zusammenspiel mit Musikern aus anderen Kulturen.

Hinweise

In memoriam Willi Resetarits änderte ORF2 das Programm und zeigte am Sonntag „Orte der Kindheit – Willi Resetarits“ und „Mein Favoriten“. Ein ausführlicher Nachruf folgt am Montag um 22.30 Uhr in „kulturMontag“ – mehr dazu in tv.ORF.at. Auch ORF III ändert sein Programm und widmet Resetarits’ Schaffen am Montag einen ausführlichen Themenabend. Ö1 widmet ihm am Montag „Spielräume“ ab 17.30 Uhr und eine Livesondersendung ab 19.30 Uhr – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Pop und Politik

Nicht wegzudenken war das gesellschaftliche und politische Engagement, das die Kunstfigur Ostbahn mit seinem Darsteller Resetarits verband. „Inländerrum statt Ausländer raus!“, hieß es bei Ostbahn. Und sogar eine Präsidentschaftskandidatur wurde gefordert: „Wenn schon Kurti, dann Ostbahn-Kurti“ stand damals unter Anspielung auf die Kandidaten Kurt Waldheim und Kurt Steyrer auf T-Shirts. Resetarits gründete das Wiener Integrationshaus, die FPÖ sprach bisweilen von einem „linken Agitator“.

Sein Engagement für interkulturellen Dialog, unter anderem als Mitbegründer von „Asyl in Not“, „SOS Mitmensch“ und als Obmann des Vereins „Projekt Integrationshaus“, brachte ihm Auszeichnungen wie den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte, den Josef-Felder-Preis für Gemeinwohl und Zivilcourage und den Fritz-Greinecker-Preis für Zivilcourage. 2013 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und wurde in der Kategorie „Kulturerbe“ zum Österreicher des Jahres gekürt. 2017 erhielt er den Amadeus Austrian Music Award für das Lebenswerk, 2019 den Ehrenpreis beim Deutschen Kleinkunstpreis.

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